Donnerstag, 5. Januar 2012

Intranasales Insulin mit günstigem Effekt auf dementielle Symptomatik


Über die intranasale Route können Substanzen auf intra- und extraneuronalen Wegen die Blut-Hirnschranke umgehen und direkt auf Gehirnzellen einwirken. Der Vorschlag, dafür Wachstumsfaktoren und Hormone zu nutzen, um neuro-degenerative Erkrankungen zu behandeln, stammt aus dem Jahre 1998 (Craft et al.), ebenso der Hinweis auf die Assoziation der Demenz vom Alzheimer Typ mit einer Insulinresistenz. Später kamen die Befunde einer reduzierten Expression von Insulin und Insulin-Rezeptor Genen sowie reduzierter Insulinkonzentrationen im Liquor bei Patienten mit dementiellem Syndrom hinzu. 
Born et al. gelang dann 2002 der klinische Nachweis, dass intranasal appliziertes Insulin schon nach 10min ohne nennenswerten Substanzverlust die zerebrospinale Flüssigkeit erreicht.
Darauf aufbauend, haben Craft et al. eine kürzlich veröffentlichte randomisierte, doppelblinde und Plazebo-kontrollierte Pilot-Studie bei Patienten mit Alzheimer Demenez (AD) und amnestischer milder kognitiver Beeinträchtigung (mMCI) durchgeführt. Die täglichen  intranasalen Insulindosen in den beiden Behandlungs-gruppen betrugen 20 IU und 40 IU über einen Zeitraum von vier Monaten. Kognition und Funktionsfähigkeit wurden mittels Standardverfahren getestet (z.B. ADAS-cog, ADCS-ADL). Eine Untergruppe unterzog sich vor und nach der Behandlung einer Lumbalpunktion, eine andere einer Positron-Emissions-Tomographie (PET) mit Fluordesoxyglucose F 18.
In beiden Behandlungsgruppen stabilisierten sich die kognitiven und allgemeinen funktionellen Fähigkeiten. Es kam zu keinen relevanten unerwünschten Arzneimittelwir-kungen. 
Die Befunde haben Schiöth et al. (2012) zu einer Experten-Evaluation veranlasst. Sie weisen darin auf einige kritische Punkte der Pilot-Studie hin:
-       kleine Gruppengröße
-       Suche nach der optimalen Insulindosis
-       keine Effekte bei Trägern der APOE ε4 Allele

Davon abgesehen, sehen sie in der Studie gewichtige Ansatzpunkte, der Frage der intranasalen Insulintherapie bei dementiellen Erkrankungen weiter nachzugehen.

Quellen:

Benedict C, Hallschmid M, Hatke A et al. Intranasal insulin improves memory in humans. Psychoneuroendocrinology 2004; 29(10): 1326 -1334

Born J, Lange T, Kern W, McGregor GP, Bickel U, Fehm HL. Sniffing neuropeptides: a transnasal approach to the human brain. Nat Neurosci 2002; 5: 514 - 516

Craft S, Peskind E, Schwartz MW, Schellenberg GD, Raskind M, Porte D Jr. Cerebrospinal fluid and plasma insulin levels in Alzheimer's disease: relationship to severity of dementia and apolipoprotein E genotype. Neurology 1998; 50(1): 164 - 168

Craft S, Baker LD, Montine TJ, Minoshima S, Watson GS, Claxton A, Arbuckle M, Callaghan M, Tsai E, Plymate SR, Green PS, Leverenz J, Cross D, Gerton B. Intranasal insulin therapy for Alzheimer disease and amnestic mild cognitive impairment: a pilot clinical trial. Arch Neurol 2011;  doi:10.1001/archneurol.2011.233

Reger MA, Watson GS, Frey II WH, Baker LD, Cholerton B, Keeling ML, Belongia DA, Fishel MA, Plymate SR, Schellenberg GD, Cherrier MM, Craft S. Effects of intranasal insulin on cognition in memory-impaired older adults: Modulation by APOE genotype. Neurobiol Aging 2006; 27(3): 451- 458

Schiöth HB, Frey WH,  Brooks SJ, Benedict C. Insulin to Treat Alzheimer's Disease.
Just Follow Your Nose? Expert Rev Clin Pharmacol 2012; 5(1): 17 - 20

Samstag, 10. Dezember 2011

Bewegung

"Es ist schwer, ältere Menschen zu bewegen sich zu bewegen". Diesen Hilferuf hört man häufig von Angehörigen in der häuslichen Pflege, auch von Ärzten und Therapeuten. Woran liegt es, dass sich gerade ältere Patienten kaum zur Teilnahme an notwendigen Übungen zum Erhalt ihrer Beweglichkeit motivieren lassen. Gelingt es, sie einer Therapiegruppe zuzuführen, vielleicht verbunden mit Spiel, Musik und Gesang, weichen Müdigkeit, Schmerzen und Unlust sich zu bewegen oft der Freude an der Bewegung.
Schon lange vermutet man, dass mentale Prozesse die an sich noch vorhanden Fähigkeiten von Muskulatur und Gelenken hemmen können.  
Im Physiologischen Institut der Universität Zürich und in der ETH Zürich erforscht man seit einigen Jahren das Phänomen, dass das Ausmaß der willkürlichen Aktivierung der Muskulatur und ihre Adaptationsfähigkeit an  körperliche Belastung von Motivation und Willen sowie Trainingszustand und Leistungsfähigkeit abhängt.

Gerade die periphere wie zentrale Ermüdung schränkt besonders die Leistungsfähigkeit der Muskeln ein. Es gelang zum einen der Nachweis, dass bei einer anstrengenden körperlichen Belastung (60% der maximalen Sauerstoffaufnahme) auf dem Fahrradergometer Nervenimpulse aus den Muskeln das primäre motorische Areal im Gehirn hemmen. Kurz vor dem Abbruch einer kraftraubenden Belastung war ein Aktivitätsanstieg in bestimmten Gehirnarealen zu verzeichnen, dem Thalamus und dem insulären Kortex. Es handelt sich um Bereiche, die dem Organismus verschiedenartige Bedrohungen (z.B. Schmerz oder Hunger) mitteilen.

Zum anderen war festzustellen, dass die mittleren und vorderen Abschnitte des insulären Kortex und das primäre motorische Areal bei gesunden Probanden durch Kommunikation untereinander motorische Fähigkeiten regulieren. Diese Beobachtungen sind wegweisend, um erkrankungsbedingte muskuläre Ermüdungszustände erkennen, verstehen und behandeln zu können. Sie werden vermutlich auch die Trainingsformen beeinflussen, die  gesunde Menschen in die Lage versetzen, sich auf Ausdauerleistungen ( z.B. Triathlon, Marathon, Radfahren) einzustellen.



Quellen:

Hilty L, Langer N, Pascual-Marqui R, Boutellier U, Lutz K. Fatigue-induced increase in intracortical communication between mid/anterior insular and motor cortex during cycling exercise. Eur J Neurosci 2011, Nov 20.  doi: 10.1111/j.1460-9568.2011.07909.x.



Hilty L, Lutz K, Maurer K, Rodenkirch T, Spengler CM, Boutellier U, Jäncke L, Amann M.

Spinal opioid receptor-sensitive muscle afferents contribute to the fatigue-induced increase in intracortical inhibition in healthy humans. Exp Physiol 2011; 96(5): 505 -517



Bonacci J, Chapman A, Blanch P, Vicenzino B. Neuromuscular adaptations to training, injury and passive interventions: implications for running economy. Sports Med 2009; 39(11): 903 -921